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Franz Josef van der Grinten



Arachne mit ihrem Faden

kann wohl eigentlich ein Symbol für alle Kunst sein: Hervorbringung aus eigenem Inneren, sie bezeugt Leben, sie projiziert es ins Zukünftige, sie schafft, was dasein wird vom Augenblick seiner Schöpfung an. Geflecht, Gewebe, Garn; der Faden, der auf ein Ziel hin sich abrollt, auf ein Ganzes hin sich verknüpft; der rote manchmal - vielleicht der Ariadnes im Labyrinth -, der im Wirrwarr den Verlauf zu finden hilft, spannungsvoll durchkreuzt und untermengt. Arachnes Netz, preziös, wenn übertaut, aber auf jeden Fall jenseits aller Zweckhaftigkeit schön, gleichnishaft zeigt es, wo Kunst beginnt: in der Schönheit, die dem; was werden muß, innewohnen kann, wenn sie vollzogen wird, und in der Bindung nicht nur an eine über Allem stehende Regel, sondern auch ans jeweilige Werkstück sich selber gibt: dialektisches Spiel von Freiheit und der Unfreiheit, in die sie sich aus freien Stücken begibt. Homo faber: der schöpferische Mensch ist Herr und Diener zugleich, der, der entscheidet, der, der ausführt; beides fällt in eins und ist identisch.

Ganz aus sich selbst freilich kann - anders als Arachne - der Mensch sein Gebild nicht schaffen; das Stoffliche muß er sich von außen her aneignen. Und hat sich dessen Angebot von den zur Hand befindlichen Naturprodukten über die aus den vorhanden erst herauszulösenden bis zu denen hin erweitert, die er selbst sich schafft aus dem Wissen um die Reaktionsweisen der elementaren Materie, so ist doch der Maßstab, den er sich setzt, geprägt von der Erfahrung mit den natürlich überkommenen Dingen. Nicht weniger von ihrer Notwendigkeit des Sichbekleidens ist auch der Ursprung der Freude am Schmuck, und dessen Angelegenheit auf früheste individuelle Unterscheidung öffne ihn für die Trägerschaft von Inhalten; Bedeutung ist ja im Kern dasselbe wie Hinweis. Alle Hochkultur legt sich dar in der Emanzipation des Geformten. Handlungsfaden, Erzählstoff, dramatische Wirkung: was steht dahinter, wenn nicht das Spinnen, das Weben, die Wirkerei, und zum Schicksalsfaden und der Schere der Atropos, die ihn kappt, ist es nicht weit.

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Evokation: mehr als in anderen Bereichen der Kunst, den illusionistischeren, geht sie in den textilen Künsten vom Stofflichen aus, von den Materialien, ihrem Angebot aus dem Reichtum der Möglichkeiten und den Prozeduren, die darin angelegt sind. All dem zuwiderzuhandeln, es auch nur gar nicht erst wahrzunehmen, wäre dilettantisch im heutigen Sinne, nicht in dem der Zeit, der das Wort entstammt und in welcher die Liebe zu einem Metier, das zunächst fremd sein mochte, ein Gefühl dafür einschloß, was seines Wesens sei: Das Eine ist, daß man alles machen kann, das Andere, daß alles, was man macht, in sich sinnvoll sein sollte; und die Spanne ist groß, und sie zu überschreiten, bewußt, willentlich, geschähe in der Regel nicht ohne Gewaltsamkeiten, möchte sich diese nun künstlerisch auszahlen oder nicht.

Die Spanne ist groß: Das textile Arbeiten ist das mit dem Faden. Und selbstverständlich orientiert es sich vor allem an Körperhaar, Sekret und Pflanzenfaser, an Wolle, Seide und Leinen, am Vlies und an der Auffächerung und Verspleißung dessen, was ums Mark des Stengels herum sich aufgebaut hat. Assoziation und sie Entlehnung aus überkommender Zweckhaftigkeit weiten das Maß, und alles ist möglich: das Zeichenhafte und die Farbsättigung, körperartige Schwellung und die Verspanntheit im Raum, das Preziöse kleinster Verbindungen und das Großzügige des Ausschwingens ins Weite, der Einbezug schließlich all dessen, was, eigentlich Fremdkörper, integrierbar ist. Höchster Anspruch schließlich des künstlerisch als unumgänglich Erkannten und verhaltene Bescheidenheit einer Meisterschaft, die sich im Unauffälligen genügt. Meisterschaft, denn überhaupt die in Freiheit reklamierte, die allen Regeln sich bewußt, sie außer Kraft setzen kann, wo es ihr notwendig erscheint, um Grenzen auszuweiten auf das hin, was es zu fassen gilt gerade in dem Werkstück, um das es geht. Klassik und Antiklassik haben sich stets umspielt, wo das Lebendige geschah, und der Anpassung hält der Ausbruch die Waage mindestens in der Gesamtheit der Hervorbringungen einer Zeit. Bloßes Handwerk brächte Erstarrung, bloßes Experiment Verworrenheit. Die Feinwaage zwischen Ordnung und Chaos ist hier so notwendig wie in aller Kunst, eher mehr alls sonst, weil die Unberechenbarkeit der Materialien mitspielt als die von Bedingungen, mit denen das, was gemacht wird, steht und fällt schon außerhalb des Betrachts aller künstlerischen Belange.

Linie, Fläche, Raum: der Faden, gespannt und schwingend selber Lebensstrang, geknüpft ins Netz, Untergebenes in Stichelung überkreuzend und durchquerend, in Broschur Aufwuchs simulierend, das Eine zum Anderen heftend, Perlen reihend, Stäbe und Ringe umspinnend, Aufwuchs und das Sichsetzen schichtweis; die Fläche selbst als die enger gewirkte im Changement mehrfarbig gezwirnter Fäden, in schraffierender Verzahnung und dem Wechsel der Farben von Feld zu Feld, gesättigt ins vermeintlich Tiefe dessen, was geebnet sich reiht und breitet, überhöht in dem, was die Ebnung unterbricht oder sich ihr aufsetzt; Beutelung schließlich zum Körper und ihrer Gefülltheit, Schürzung zum Knoten im Raum mit all seiner Komplexität. Und andererseits jede Spielform: die Konterfeiung im Ungewohnten, Mimicry; Zartheit, die zäh ist, Zweckform, die mit der Zweckhaftigkeit liebäugelt, ohne sich ihr in jedem Fall zu fügen.

Spannung, Wölbung, Versperrung; Volant, Säule, Stolperwelle; die Fessel, die Bergung, die Ambivalenz von Anziehung und Abstoßung dessen, was sein Geheimnis so sehr in organische Körperhaftigkeit einbindet, daß alles Erlebnis die Scheu vor der Intimität mitschwingen läßt. Ein Geheimnis, ernst genug, für den Betrachter wie für den, der schafft. Das Wort vom Webstuhl der Zeit ist so wenig abwegig wie das der Gottheit lebendigem Kleid, auch wenn dieses, einmal geschaffen, leer schwingend an einer Leine sich blähen würde. Alle Kunst ist ein Teil des einen wie des anderen, als das Erzeugnis wie in dessen Bestimmung, und in Anspruch und Erfüllung spricht sie sich selbst das Urteil.

zur Ausstellung "Im Fadenkreuz" der Gruppe
'Textilkunst Düsseldorf' im Stadtmuseum Düsseldorf


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